Dienstag, 4. August 2009

Zur Komik in BRÜNO

(T. Hwa)

D. Schanz hat in seiner Kritik zu Sacha Baron Cohens „Delicious Journeys Through America for the Purpose of Making Heterosexual Males Visibly Uncomfortable in the Presence of a Gay Foreigner in a Mesh T-Shirt“ - so ein im Internet kursierender, angeblicher Arbeitstitel des Films, der in der Tradition barocker Titel den Inhalt des Films gut zusammenfasst - bereits vieles genannt. Deshalb will ich mich auf nur einen Aspekt begrenzen - das Verhältnis von Realität und Fiktion in der Komik Cohens.

Nachdem publik wurde, dass der Rapper Eminem in Cohens Aktion bei den MTV Awards eingeweiht war, konzentrierten sich einige Kritiken auf die Frage, wie viel in BRÜNO inszeniert sei, und ob dies nicht der Glaubwürdigkeit der satirischen Kritik des Films schade. Sicher würde es dies, wenn nicht die Komik Cohens und des Regisseurs Larry Charles eben auf der Aufhebung der Grenzen zwischen Komiker und Rolle, Fiktion und Dokumentation basieren würde. Die Abenteuer der Kunstfigur des schwulen Modejournalisten Bruno als karikaturisierte Verkörperung der schlimmsten Befürchtungen einer dekadenten post-ALLES Gesellschaft besitzen keine Glaubwürdigkeit, die zu verlieren wäre.
Mit dem Dokumentarfilm verbindet der Ansatz Cohens, dass die Anwesenheit des Filmteams (meist) mit thematisiert wird. Im Unterschied zu einer „Ästhetik der versteckten Kamera“ treten die Filmemacher als Filmemacher auf und nutzen die scheinbare Transparenz der medialen Situation. Die Komik besteht weniger in dem voyeuristischen Vergnügen, an „realem,“ also nicht-inszeniertem, Geschehen teilnehmen zu können, sondern in dem selbstreflexiven Ausnutzen der Konventionen von Reality-Formaten, in der (Selbst-) Inszenierung auf der Bühne des Medialen und Öffentlichen. Durch den Fake-Dokumentaristen wird die Absurdität der spezifischen medialen Situation, des zeichenhaften Handelns und Selbstinszenierens vor der Kamera enthüllt.
Eine Parallele, die überraschenderweise (meines Wissens nach) bis jetzt übersehen wurde, besteht zwischen Cohen und den Strategien dokumentarischer Provokation Michael Moores. Dessen Selbststilisierung als ewig in Trucker-Mütze und Arbeitsjacke gekleideter working class hero aus Michigan ist ebenso eine Kunstfigur wie Ali G, Borat oder Bruno. Wie bei Cohen dient die Persona dazu, durch die betonte Hemdsärmeligkeit der Sprache („Shame on you, Mr. Bush!“) und vorgegebene Naivität das Misstrauen der Interviewten abzulenken. Gerade in den Gesprächen mit vermeintlich intellektuell überlegenen, höhergestellten Autoritätsfiguren wie Politikern wird diese Strategie deutlich. Zugleich spielt Moores alter ego auf die in Amerika geradezu fetischisierte Vorstellung des „Average Joe“ an, dessen „common sense“ auf eine lange diskursive Vergangenheit in der amerikanischen Geschichte verweist. Demgegenüber verkörpert Cohen in seinen Figuren das Fremde, völlig Andere, und evoziert damit andere, jedoch nicht weniger selbstentlarvende Reaktionen.
Während Moore zuweilen seine on-screen Rolle, gemessen an einer an die Gattung des Dokumentarischen gebundene journalistische Ethik, als unlautere Methode vorgehalten wird,
arbeitet Cohen an der Auflösung dieser Trennung wenn er etwa explizit bei Presseterminen „in-character“ erscheint und so die (medial reflexive) Situation des Films über diesen hinaus verlängert. Die Frage nach der Authentizität von Szenen in BRÜNO versucht die komfortable Trennung zwischen Werk und Wirklichkeit wiederherzustellen, gegen die sich die aktionistischen Tendenzen in Cohens Performances richten. Dies dürfte weniger aus der Angst heraus geschehen, das nächste Ziel des Komikers zu werden, als vielmehr dazu dienen, sich von dem Gezeigten distanzieren zu können. Geradezu bedrohlich erscheint die Komik des Films nur in ihrer Distanzlosigkeit gegenüber ihren Opfern, die sich aus dem Fehlen einer eines klaren Standpunktes (etwa durch die auktoriale Präsenz der Person Sacha Baron Cohen) ergibt.
Häufig meint man Erleichterung oder gar Genugtuung aus der Kritik heraushören zu können, Cohens Versuche die amerikanische Gesellschaft mit ihrer latenten Homophobie zu konfrontieren wären post-Obama bereits überholt. Die ironische Wendung: Wenn der renommierte Harvard Professor Henry Louis Gates festgenommen wird, weil Nachbarn die Polizei rufen als er sein Haus durch die Hintertür betreten will, dann übertrifft die Wirklichkeit noch die provokativen Aktionen Cohens. Interessanterweise ließe sich auch hier die These aufstellen, dass die nachfolgende Berichterstattung vor allem bemüht ist, die symbolische Wirkung des (medialen) Ereignis zu revidieren (beteiligter Polizist gibt Toleranzkurse, unangemessen aufbrausendes Verhalten Gates?) und auch hier gewissermaßen eine erneute Distanz zu dem Geschehen aufzubauen. Dabei wird übersehen dass, wie in den Filmen Cohens, für die symbolische Verbindung zu der sozialen Problematik des „Neuen Rassismus“ letztlich die genauen Sachverhalte nicht entscheidend sind.

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