Mittwoch, 15. Juli 2009

Apatow-Productions, Popkultur und Massen-Nerdismus. Teil 1: The Setup. „The Foot Fist Way"

(H. Carstensen)

In meinen kommenden Blogs geht es um die popkultur-getränkte Sorte Ironie in Komödien aus dem Hause Apatow-Productions – und Umfeld. Um Männer, die außer Filmen keine Rollenvorbilder haben, um Nerds, die mit ihren Neurosen im Mainstream angekommen sind, und das Fremdschämen im Comedy-Genre. Teil 1 der Mini-Serie….


In den Filmen der Apatow Productions sind die Zeichen, derer sich die Figuren bedienen, bzw. anhand derer sie inszeniert werden, meist getränkt oder beeinflusst durch Film- und Popkultur. Und egal, wie hanebüchen die Story ist: die Figuren wirken oft glaubhafter, fühlen sich mehr im Jetzt an, als manch andere Pappkameraden im aktuellen Komödien-Genre. Behauptung: weil sie, trotz des ganzen grotesken (ironischen) Lärms, den sie veranstalten, mit einem (unironischen und kitschfreien) menschlichen Kern ausgestattet sind. Wie hässlich der auch sein mag. Vielleicht ist gerade das Grelle, die Abwesenheit der Zwischentöne etwas, was den treffsicheren Blick auf zeitgenössische Lebensverhältnisse verrät. Nicht nur Amerikanische.


In den kommenden Blogs geht´s um den Versuch, die Zeichen der globalen Popkultur in den Apatow-Produktionen zu interpretieren, zu checken, warum sich die Filme gleichermaßen grotesk und wahrhaftig / „jetzig“ anfühlen, und –last not least- die spezielle Apatow-Variante von allgemeinen Comedy-Mechanismen zu isolieren. Sexy as hell, hu? Yeah.


Startpunkt Seitengasse: die unabhängig produzierte Komödie The Foot-Fist-Way ist streng genommen keine Apatow-Produktion. Dazu gleich.

Die Anti-Coolness, mit der der Kindskopf Fred Simmons inszeniert wird, ist der Film. Selten war eine Hauptfigur ignoranter gegen über den Konsequenzen seines „American Dream in Action“, als der erfolglose Tae-Kwon-Do-Lehrer. Nach der Eröffnungs-Sequenz ist man sich sicher: dieser Idiot wird auch noch das Beste in seinem Leben kaputt kriegen, gerade weil er seinen Traum lebt: erst lässt Fred sich von drei kleinen Jungs, seinen Schülern, gebetsmühlenartig bestätigen, der „King of the Demo“ zu sein, nur um bei der Demonstration seines Könnens (Betonplatten mit dem Ellbogen durchschlagen) vor den versammelten Erwachsenen zu scheitern. Fred wahrt die Pose so gut er kann. Die in der Szene Versammelten meiden den Augenkontakt. Fremdschämen bei jenen vor dem Bildschirm. Opening-Credits.


Die Inszenierung wechselt zwischen dokumentarischem Duktus mit Handkamera, und Anspielungen auf Fiction-Film-Codes und Videoclips. Je nachdem, welcher Effekt das Scheitern vergrößert. Seinen Magnum P.I. –Ferrari 308 GTS fährt Fred in einer á la Miami-Vice montierten Sequenz durch die nächtliche Kleinstadt – und hält brav an der nächsten roten Ampel, um sich in der Nase zu bohren.


Wenn er in seiner Funktion als Tae-Kwon-Do-Lehrer zu Demonstrations-Zwecken eine Oma gegen den kräftigsten Kursteilnehmer antreten lässt, ist die Kamera im Reality-Modus; hier ist Freds ernster-als-ernste Karate-Kid- Rhetorik das filmische Element, das der Oma zum Verhängnis wird. Entgegen seiner Vorstellung von der Welt hat sie leider keinerlei Auswirkungen auf die filmische Realität (physische Fitness und Kraft/Oma) der Szene: der kräftige Mann Anfang Vierzig bringt die ältere Dame zu Boden. Hart. Mit Nachtreten.


Auch aus dramaturgischer Sicht bleibt der Film seinem antiklimatischen Prinzip treu. Zwar gerät Fred, nach dem seine Frau ihn betrogen hat, in eine Krise, begibt sich auf eine Reise, wird beinahe gebrochen und muss sich am Ende einem finalen Kampf stellen, in dem er sich sogar anständig schlägt- aber all das hat keinerlei Auswirkungen auf die Figur, wie Freds Blick in die Kamera am Ende verrät: immer noch total stumpf. True to Character.


The Foot Fist Way ist ein Low-Budget-Film. Seine beschränkten Produktionsmittel nutzt er clever, und erzeugt eine Art „überdrehtes Understatement“. Fred mag von sich denken, er sei ein großer Meister, und Dialog, Montage und vor allem Musikeinsatz gewähren ihm diese pathetischen Momente. Aber wegen des kleinen Budgets sind auch die großen Augenblicke mit kleinen Mitteln gemacht und zwangsläufig cheesy, meistens mehr eine Anspielung auf den großen Traum. Dieser Effekt illustriert perfekt das Leben des knapp-mehr-als-White-Trash-Helden (lebt nicht im Trailer-Park), der am Ende scheitern muss. Meistens auf dem Parkplatz einer Shopping-mall, vor einer Traube von übergewichtigen Durchschnitts-Amerikanern, am Schluss der Slow-Mo und des Hard-Rock-Musik-Einsatzes. Still und nüchtern. No Traumfabrik here…


Der Humor in Foot Fist Way ist extrem, und zielt nicht auf den Komödien-Mainstream- eigentlich keine Apatow-Produktion. Warum ihn also als Setup für die kommende Analyse von Forgetting Sarah Marshall, Superbad und Co. wählen? Es gibt Parallelen, gemeinsames Fahrwasser, einen beat, der in Foot Fist Way gröber geschlagen wird…-


Erstmal die personellen Parallelen: Hauptdarsteller Danny McBride spielte in Superbad und Pineapple Express, Will Farrell tritt unter anderem als Produzent auf, und Auto und Regisseur Jody Hill hat diesen Sommer Observe & Report in die Kinos gebracht, starring: Apatow-Veteran Seth Rogen, der dort einen ähnlich verblendeten Ignoranten spielt. So viel zum Thema Stallgeruch. Man kennt sich.


Auch der Zugriff auf die Welt und seine Umsetzung in die Komödie ist gekennzeichnet durch den oben erwähnten gemeinsamen beat: selbstironisch und übertrieben bis zum brechen, mit menschlichem Kern, den der abgeneigte Zuschauer unter dem ganzen Tamtam gerne Übersieht, in den Apatow-Filmen sicherlich dezenter als in Foot Fist Way; einen Hang zur Pose, und ihrer Brechung, mit männlichen Figuren in der Krise, und einem durch und durch nerdigen Blick auf die Welt, der Außenseiter in den Mittelpunkt stellt und zeigt: in der zerklüfteten individualisierten Gegenwart, der absolute soziale Standards abhanden gekommen sind, sind wir alle Nerds, die sich regelmäßig in mehr oder minder unangenehmen „awkward social situations“ wieder finden. Mal mehr und mal weniger charmant agierend / inszeniert.


… das gewisse Apatow-Etwas eben, das hier sukzessive vom Dunkel ins Licht gebracht werden soll. Mehr beim nächsten Post.

3 Kommentare:

  1. Hmm, nicht schlecht. Ich glaube ich werde mir in meiner Gegendarstellung viel Mühe geben müssen..

    Wo bleibt Dein erster post Mr. Schanz?

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  2. Selam Beyler. Daumen hoch für das cineastische Output. Bei soviel Eigeninitative schreit das in der Rückrunde nach nem Gastspiel auf fremdem Rasen.

    Haut rein und seid fleißig!

    Ümitidis

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  3. Um schon einmal eine Eskalation der Diskussion vorzubereiten:

    Apatow dreht eine selbstreflexive Komödie über einen Comedian (Adam Sandler), der sich dem "Ernst des Lebens" stellen muss. Sidekicks sind u.a. Apatows Lieblinge Seth Rogen und Jonah Hill. Allein der Trailer hat schon mehr ironische T-Shirts und pseudo-Indie Musik als ich vertrage.
    Meine Prognose: Apatow is going to kill Sandler's funny.

    http://www.imdb.com/video/imdb/vi4124967449/

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