Mittwoch, 8. Juli 2009

Ein paar Gedanken zu Akira Kurosawas SHICHININ NO SAMURAI / DIE SIEBEN SAMURAI (1954):

(T. Hwa)

Kurosawas Film über eine Gruppe verarmter Samurai, welche die streng kodifizierten Grenzen der historischen Feudalgesellschaft übertreten um ein Dorf gegen eine Bande Banditen zu verteidigen, wird dem Genre des „chambara“ (Schwertkampffilms) zugeordnet, einer Unterform des „jidai-geki“ (Historienfilms). Bei genauerer Betrachtung lässt sich jedoch feststellen, dass viele Elemente des Films kritische Revisionen des „chambara“ darstellen. Diese kritischen Elemente sind von einem Humanismus gekennzeichnet, der sonst vor allem in Filmen des Regisseurs zu finden ist, die in zeitgenössischen Settings verortet sind.

Neben den sozialkritischen Implikationen der Story ist gerade die Darstellung der Kämpfe dabei von Bedeutung. In anderen Filmen des Genres werden die Schwertkämpfe durch eine rhythmische Choreographierung stilisiert und die Kunstfertigkeit eines Helden dadurch überhöht, dass er sich scheinbar mühelos gegen eine Vielzahl von Feinden durchsetzen kann.

Im Gegensatz dazu wählt Kurosawa einen „realistischen“ Modus der Darstellung, der meist denkbar weit von einer Ästhetisierung entfernt ist. Zeigt eine Sequenz zu Anfang des Films noch ein Duell, das in seiner Glorifizierung des einzelnen, präzise geführten tödlichen Schlags weitestgehend dem medialen Bild von japanischer Schwertkunst entspricht, so sind die späteren Kämpfe von einer chaotischen Fülle von Bewegung charakterisiert, die durch die dynamisierende Montage noch verstärkt wird. Gerade in der letzten Konfrontation mit der Banditenbande versinken Menschen wie Pferde in Regen und Schlamm, rutschen, fallen und schlagen um sich. Die Bewegungen einzelner Figuren lösen sich in dem Aufeinanderprallen verschieden gerichteter Bewegungen auf (es wäre interessant Kurosawas Montage in dieser Sequenz mit dem Konzept der Kollisionsmontage zu vergleichen).

Auch scheut sich der Film nicht davor, die „Bösen“ als Opfer von Gewalt zu zeigen: schon weitgehend wehrlose Banditen flüchten auf allen vieren vor den Speeren der Bauern. In einer Szene müssen die Samurai resignierend zulassen, dass sich ein aufgebrachter Lynchmob an einem Gefangenen für die erlittenen Qualen und Demütigungen rächt. Kurosawa macht so deutlich, dass beide Seiten des Konfliktes menschlich sind: fähig zu Gutem wie zum Schlechten. Samurai wie Banditen kämpfen aus Hunger, die Bauern um ihren Reis zu behalten. Gewalt, legitimiert oder nicht, bleibt immer was sie ist. Es ist dieses Beharren auf menschlichen Grundkonstanten, das sich durch Kurosawas Oeuvre zieht, wenn auch in seinem Spätwerk vielleicht in abgeschwächter Form.

War John Ford für den japanischen Regisseur ein Vorbild wohl vor allem auch was die Inszenierung von Bewegung betrifft (Stagecoach, 1939), so hatten die Samuraifilme Kurosawas einen nachhaltigen Einfluss sowohl auf den amerikanischen wie auch auf den Italowestern (vielleicht bald mehr dazu). Shichinin no samurai kann innerhalb des „chambara“ als das gesehen werden, was die reflexiven Spät- und Italowestern für die scheinbar so homogene amerikanische Mythologie des vielleicht prototypischsten Filmgenres sind.

2 Kommentare:

  1. 2 zu 0 zu 0 für Timor! Legst ja gleich gut los.. Schön das. Werd ich mir innerhalb der nächsten zwei Wochen auch endlich mal geben, den Film - die (auch von Dir nun nochmal angeschnittene) Western-Parallele nötigt mich ja fast dazu. Interessant ist vor allem der angedeutete Vergleich mit den revisionistischen Spätwestern (während die Italo-Western Gleichung sich allein auf Leones Werk beschränken muss und damit nur halb aufgeht) - also dass die Genre-Parallele nicht nur allgemein greift, sondern spezifisch innerhalb der Genre-Geschichte situiert werden kann. Hatte ich mir bisher ehrlich gesagt noch zu wenig überlegt...

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  2. Ich glaube wir hatten kurz darüber gesprochen dass Kurosawa in Japan anders gesehen wurde als im Westen. Als er 1950 mit Rashomon bekannt wurde, konnte er sehr gut in die aufstrebende Autorentheorie eingepasst werden. Wenn man sich mal ein wenig von dieser Perspektive löst ergeben sich ganz interessante Aspekte, wie eben z.B. Genrekontexte. Eigentlich seltsam, denn bei Hitchcock oder Ford war der Kontext des Genres immer mit präsent.

    (Dies alles hätte wohl Teil des posts sein sollen..)

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