Mittwoch, 29. Juli 2009

Beobachtungen zu THE GOOD, THE BAD, THE WEIRD

(D.Schanz)

„WESTERN by KIM JEE-WOON“ – wie ein Ausrufezeichen prangt diese Genreproklamation, zugleich selbstbewusst und selbstironisch, ganz am Ende des Films, nachdem auch die letzten Credits in koreanischer Schrift durchs Bild gerollt sind. Man könnte da als Zuschauer ja etwas übersehen haben…

Spätestens im neuen Jahrtausend scheint der Western, der wie kein anderes Filmgenre als nationalideologisch (mit seinem Ursprungsland Amerika) verknüpft gilt und seine kulturräumliche Eingrenzung sogar im Namen trägt, endlich seiner nationalen Fesseln befreit. Sicher, bereits in den 1960er und 70er Jahren gab es reihenweise internationale, dabei vorwiegend europäische, Produktionen, die sich der Western-Ikonographie bedienten – die Karl May Verfilmungen und vor allem natürlich der Italo-Western um nur die populärsten Vertreter zu nennen. Allerdings war zumindest ein imaginiertes „Amerika“ steter Referenzpunkt jener Filme: die italienischen, französischen, oder deutschen Schauspieler hießen dort, relativ unironisch, Joe oder Winnetou; es ging um Dollars oder das bittere Schicksal der „Indianer“; und ganz gleich ob in den spanischen Gebirgen oder im jugoslawischen Hinterland gedreht wurde – gemeint waren immer die Rocky Mountains und die staubige Wüste Nevadas.

In den letzten Jahren allerdings, sind vereinzelt, aber doch zumindest zahlreich genug um aufzufallen, in verschiedensten Filmnationen auf der ganzen Welt transnationale Auswüchse des Genres entstanden, die ganz bewusst mit den semantischen Elementen des Westerns umgehen und den nationalideologischen Bezug kritisch umdeuten (Beispiel BAMAKO), ihn von Grund auf dekonstruieren (SUKIYAKI WESTERN DJANGO), oder gar im eigen nationalistischen Sinne umfunktionieren – wie eben auch und ganz aktuell im Fall von THE GOOD, THE BAD, THE WEIRD geschehen.

Natürlich gibt es hier Figuren, die mit Cowboyhut auf dem Kopf und Pistole im Halfter auf Pferden durch die Wüste reiten; und sicherlich ist der Film ein vages Remake – der Titel weist darauf hin – von Sergio Leones zweitbestem Western (und scheitert im direkten Vergleich so kläglich, dass es fast schmerzt beispielsweise den grandiosen final shootout des Originals in einer solch fantasielos inszenierten Neuauflage ertragen zu müssen). Aber bei all den (Italo-)Western-Anleihen ist Kims Film vor allem ein aufwändig produziertes Stück Actionkino, das sich nichtsdestotrotz der bekannten Genretopoi bedient, um eine Allegorie auf das koreanische Selbstverständnis zu erzählen.

Der Spielort dieses koreanischen Western ist die Mandschurai der 1930er Jahre, die ein rohstoffreiches und daher geopolitisch interessantes Territorium für sowohl China als auch Russland und Japan war. Das angrenzende Korea, zu jener Zeit durch das japanische Kaiserreich besetzt, diente den Japanern als Zwischenlagerstätte für Rohstoffe, die aus der Mandschurei nach Japan transportiert werden sollten. Soviel zum geschichtlichen Hintergrund.

Erstaunlich ist dabei, dass es in Kims Version des multikulturellen Tummelbeckens der Mandschurei von Koreanern nur so wimmelt, die allerdings mit dem geopolitischen Treiben herzlich wenig am Hut haben und lediglich ihr individuelles Glück suchen. So sind dann, wie kann es anders sein, auch die drei Titelfiguren koreanischer Herkunft. Ein nomadischer Kopfgeldjäger (The Good) wird von einer koreanischen Unabhängigkeitsgruppe angeheuert, um ein scheinbar politisch wertvolles Dokument in deren Besitz zu bringen, hinter welchem auch die Japaner her sind, die zu diesem Zweck den berüchtigtsten (ausgerechnet koreanischen) Killer des Landes (The Bad) schicken. Als das Schriftstück, das sich recht bald als „Schatzkarte“ entpuppt, dann jedoch einem durchgeknallten Kleingauner (The Weird) in die Hände fällt, beginnt die wilde Hatz quer durch die staubige Landschaft der Mandschurei. Das alles ist nur leidlich spannend und mit einigen dramaturgisch-strukturellen Schwächen inszeniert, aber dafür durchaus rasant und mit einigen wirklich komischen Szenen, die fast immer auf das Konto vom Ausnahmeschauspieler Song Kang-Ho (SYMPATHY FOR MR. VENGEANCE) gehen, der den Gauner Yoon Tae-Goo mit ungeahnt komödiantischem Verve verkörpert.

Wirklich bemerkenswert ist THE GOOD, THE BAD, THE WEIRD, der als einer der teuersten koreanischen Produktionen aller Zeiten gilt, eigentlich erst in seinem Subtext: Liest man die drei titelgebenden Outlaw-Figuren, diese unkorrumpierbaren, von feindlichen Mächten einfach nicht unterzukriegenden Stehaufmännchen, als Verkörperung Koreas, ergibt sich ein faszinierendes Selbstbild dieser notorisch gebeutelten Nation. Eine Szene mit höchstem Symbolwert ist die wahnwitzige Verfolgungsjagd gegen Filmende, in der eine Übermacht von verschiedenen Interessensgruppen – unter anderem die japanische Armee(!) – auf Pferden und Geländewagen und bis an die Zähne bewaffnet hinter dem auf seinem charakteristischen Motorrad vorneweg pesenden Yoon Tae-Goo her sind, dieser aber noch jeder Attacke entwischt, während Kopfgeldjäger Park Do-Won quasi im Vorbeireiten einen japanischen Soldaten nach dem anderen über den Haufen schießt. Mit größter Leidenschaft werden in Kims Film nationalistische Fantasien wie diese durchgespielt und ein durch und durch nostalgisch-verklärtes Bild der eigenen Nation entworfen. Korea, das in seiner Geschichte schon aufgrund seiner geographischen Lage beinah ständig Opfer von fremden Besatzungsmächten war, tritt hier in Form der Hauptfiguren des Films als ewiger Underdog im geopolitischen Kräftemessen auf – von allen Seiten bedroht und doch immer wieder sich selbst behauptend. Der so offensichtlich bemühte Bezug zum Western-Genre, mit seinen vielen Prädispositionen, allen voran jener des Outlaws, der allein sich selbst treu bleibt, unterstützt die unterschwellige Agenda des Films, von einem grundindividuellen und (politisch) unabhängigen Volk zu erzählen.

Die anderen Völkergruppen kommen dabei im Vergleich denkbar schlechter weg. So werden die Chinesen höchst eindimensional als zwielichte Verräter, die Mandschu als barbarische Räuberbanden und die Japaner als imperialistische, völlig inhumane Aggressoren dargestellt. Die koreanische Unabhängigkeitsbewegung indes, die erkennbar intellektuell, aber bereits mit jeder Menge machtpolitischem Bestreben daherkommt, ist ein klarer Verweis auf die spätere kommunistische Führung Nordkoreas. Über diese eindimensionalen Klischeezeichnungen kommt im Film kein Vertreter jener Völkergruppen hinaus.

Da ist der Film bezüglich seiner Darstellung der Koreaner eindeutig spannender, weil vielschichtiger. Die Dreifaltigkeit der Titelfiguren, die meiner Lesart nach das koreanische Volk repräsentieren, schließt eben auch den ruchlosen Killer Park Chang-Yi mit ein, der auf seiner Jagd nach dem Status des besten Gunfighters (nicht nur) der Mandschurei buchstäblich über Leichen geht. Park Chang-Yi, der zumindest nationalistisches Ethos beweist, wenn er bereits in der Mitte des Films seinen vaterlandsverratenden Auftraggeber abmurkst, steht hier für die moralischen Defizite, die der Turbokapitalismus des modernen Koreas mit sich bringt. Interne Probleme, werden in Kims als Western maskierter Version des koreanischen Spirits also anerkannt, jedoch auch bevorzugt intern gelöst – wie der finale Shootout zeigt, der allein zwischen den drei Titelfiguren entschieden wird, während die externen Aggressoren, die kurz zuvor noch recht potenter Teil der oben beschriebenen Hetzjagd waren, unerklärlicherweise, aber natürlich dennoch ganz bewusst, durch Abwesenheit glänzen.

Wies T.Hwa noch in seinem letzten Blogbeitrag auf die globale Ausrichtung chinesischer Großproduktionen (in erster Linie mit den selbstorientalistischen, monumentalen neo-Wuxia Filmen) hin, so erweckt THE GOOD, THE BAD, THE WEIRD dagegen erneut den Eindruck, dass die Koreaner, nach ähnlich nationalistisch gearteten, heimischen Blockbustern der letzten zehn Jahre, wie SHIRI, FRIEND, oder TAEGUKGI, am liebsten Filme über und für sich selbst zu machen scheinen. In diesem Hinblick interessant ist einmal mehr die, natürlich nicht allein auf das koreanische Kino zu beschränkende Beobachtung, dass unverhohlen politische Ideologisierung im Film vor allem über solch aufwändig produzierte, nationale Prestigeproduktionen geschieht.

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